Bullerbü

… ist hier. Ich bin so verdammt froh, mir hier meine kleine Nische geschaffen zu haben. Noch nie habe ich den Besuch von Facebook und Co. so belastend empfunden wie im Moment. Verdammt, ich will gar nicht wissen was in den Köpfen all dieser Leute vorgeht, bin aber gezwungen es zu erfahren. So viel und schnell kann ich gar nicht weiterscrollen, wegklicken und blockieren wie sich dort Abgründe auftun.

Die Welt braucht mehr Lach- und Sachgeschichten !! Bereit ?

Dann los…

Im Jahr 2000 arbeitete ich in Göttingen bei einem Verkehrsverbund.
Trotzdem fuhr ich morgens mit dem Auto zur Arbeit. Geht doch nichts über Radio hören und ein Kippchen schmauchen, bevor der Tag los geht.

Es war Sommer und tierisch heiß. Ich fuhr einen recht altersschwachen Opel Kadett und der stand wegen des Wetters unabgeschlossen, mit heruntergekurbelten Fenstern, auf dem Hof.
Die ganze Nacht. Am nächsten Morgen fuhr ich wie immer zur Arbeit. Während des Vormittags fragte mich meine Kollegin, ob ich sie in
der Mittagspause zu einer Autowerkstatt fahren kann, weil ihr Wagen dort zur Reparatur stand. Natürlich, ich bin schließlich kein Kollegenschwein.

Während wir zur Werkstatt fuhren, schlug besagte Kollegin
vor, auf dem Rückweg ein Wettrennen zu veranstalten. Wer zuerst wieder am Arbeitsplatz sei, bekäme ein Stück Kuchen. Hintergrund war, dass sie erst vor kurzem aus Frankfurt nach Göttingen gezogen war und sich noch nicht besonders auskannte. Sie wollte wohl mir
und sich beweisen, dass es nun langsam mit der Orientierung bergauf ging.

Nun mag ich Kuchen nicht besonders, aber ich hasse ihn auch nicht.  Ich bin allerdings wahnsinnig ehrgeizig was Autowettfahrten angeht. Also habe ich die Wette angenommen. Ich wartete bei der Werkstatt (ca. 30 Grad im Schatten), während die Kollegin (nennen wir sie Ulla) die Formalitäten klärte, brav mit heruntergekurbelten Scheiben
(zu der Zeit träumte ich noch von einer Klimaanlage) und laufendem Motor.

Als Ulla vom Hof fuhr, gab ich ebenfalls Gas und so standen wir noch
gemeinsam an der 1. Ampelkreuzung. Dann folgten weitere Ampeln. Ich immer auf der linken Spur, Ulla auf der Rechten, wobei sie mich irgendwann aus den Augen verloren hatte und nie nach links sah. Ich lachte mich derweil kaputt weil ich winkend genau neben ihr stand und sie stur gerade aus sah, hoch konzentriert, weil unsere Arbeitstelle gar nicht so leicht wieder zu finden war.

Immer wenn die Ampel auf grün sprang, gab ich Gas. Alle Fenster waren unten und meine Haare wurden ganz schön in Unordnung gebracht. Ich weiß, dass sich das was ich jetzt beschreibe völlig dämlich anhört, aber als ich so dahin fuhr, wirbelten meine Haare durch die 4 offenen Fenster schön herum. Nur nicht am Hinterkopf.
Das war mehr ein Gefühl, als dass ich intensiv darüber nachgedacht hätte, ich war ja viel zu beschäftigt nach Ulla Ausschau zu halten.

Dann wieder eine rote Ampel. Kein Fahrtwind. Kein Haarefliegen.
Und weiter geht’s. Haare auf Sturm, nur nicht am Hinterkopf.
Nächster Stop, alles okay. Weiterfahren und Haare wirbeln, dieses Mal am GANZEN Kopf, aber irgendwie nicht mehr im Nacken…..komisch, aber keine Zeit darüber nachzudenken.

Wir näherten uns der Kreuzung an der wir links Richtung Stadthalle abbiegen mussten um den richtigen Weg einzuschlagen. Geradeaus dagegen, fährt man in die Fußgängerzone. Da sollte man aber an
einem Donnerstagmittag auf auf keinen hineinfahren.
Heißt schließlich FUSSGÄNGERzone. Nun, an der Ampel sah ich Ulla wieder neben mir stehen, sie mich allerdings nicht. Ich stand auf der Linksabbiegerspur und sie auf der die geradeaus führt. Das war mir nun doch ein wenig unheimlich und ich winkte und klopfte, aber sie sah
partout nicht herüber. Die Ampel sprang um, ich bog ab und sah noch wie Ulla fröhlich die Fußgänger aufmischte. Ich war hin und her gerissen zwischen  hysterischem Lachen und „Ach du SCHEISSE“.

Während ich also wieder fuhr, sah ich plötzlich aus den Augenwinkeln auf meiner rechten Schulter einen Schatten. Nun wird es Zeit, dass ich erzähle, ich gehöre eher zu den überlegten, bedachten Typen. Anders kann ich mir nicht erklären, warum ich nicht gleich nachschaute, was das war. Eine Millisekunde redete ich mir noch ein, dass es  mein Kragen ist, der im Fahrtwind flattert.
Ich hatte aber an meinen T-Shirt keinen Kragen…

Gut, dann muss es ein Schmetterling sein. Eben ein ganz, ganz Großer, dem Schatten aus den Augenwinkel nach zu urteilen.
Bitte Gott, LASS ES EINEN SCHMETTERLING SEIN, betete ich. Meinetwegen auch einen Nachtfalter.  OH BITTE !

Ich überlegte während der weiterfahrt krampfhaft, welche Tiere noch in meinem Auto sein könnten. Spinnen ???!!!!
Ich ekle mich grundsätzlich vor allen Tieren die mehr als 4 Beine haben
(Blutegel haben keine, deswegen mag ich sie ja). Noch mal kurz nach rechts geschielt und mir brach der Schweiß aus. Wenn das eine Spinne ist, sagte ich mir, dann muss das dem Schatten nach mindestens eine Tarantel sein.

So. In diesem Moment strömte eine nicht geringe Menge Adrenalin und Cortisol durch meinen Körper. Ich weiß echt nicht warum die
Leute Bungee Jumping machen oder so einen Käse. Ich begann wirklich alles von weit weg zu hören, nahm dafür meine Umgebung  haarscharf wahr und meine Nerven waren zum zerreißen gespannt. Ich schwitze wie ein Schwein, dabei hatte ich immer noch nicht hingesehen und betete, wünschte, ja flehte bloß einen blöden Schmetterling herbei.

Alles was ich im letzten Absatz geschrieben habe, dauerte in Wirklichkeit natürlich nur 5 – 8 Sekunden. Mein Verstand
arbeitet auf Hochtouren…….WAS WAR AUF MEINER SCHULTER UND WARF EINEN S C H A T T E N ????
Ich sah nach rechts und blickte nur Zentimeter entfernt in ein haariges,
schwarzes Gesicht mit funkelnden Augen.
Erwähnte ich schon, dass ich kreischende Weiber zutiefst verabscheue ?Nun, ich ließ sozusagen den Urschrei schlecht hin los. Dass ich mir nicht in die Hose gepinkelt habe, ist nur meiner Körperverkrampfung geschuldet ! Das Ding auf meiner Schulter, nicht bange, schrie zurück und zwar laut !

Dann habe ich als erstes meinen Wagen abgewürgt und zwar volle Pulle. Als nächstest (ich hab früher viele Bruce Lee Filme gesehen) katapultierte ich das schreiende Etwas (oder schrie ich immer noch, hm?) mit einem gezielten Handkantenschlag in den Fußraum des Beifahrerraumes.

Wie in Trance ließ ich den Wagen an und fuhr weiter. Komisch gell, ich
meine diese Reaktion. Aber dann kam das große bInnern. Ich schlackerte, zitterte, wackelte am ganzen Körper und kramte verzweifelt in meinem geschockten Hirn nach dem Gesicht,
dass ich gerade einen Zentimeter von meinem Gesicht entfernt gesehen hatte. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie einen solchen Schrecken erlebt. Ich hab mich mehrmals im Rückspiegel angesehen, weil ich überzeugt war, meine Haare wären mit einem Schlag schlohweiß geworden. Ehrlich.

Seit ihr mit dem Aufbau des Spannungsbogen zufrieden ?

Wenn man einen solchen Schock erlebt wie ich in dem Moment, dann kann man überhaupt nicht nachdenken. Ich kannte das Gesicht, ich wusste nur kein Wort für das Tier. Ich war so beschäftigt damit zu zittern, zu fahren und dabei ängstlich den dunklen Fußraum auf der Beifahrerseite zu beobachten, dass es ein echtes Wunder ist, dass ich keinen Unfall baute. Mir war plötzlich klar, warum meine Haare an bestimmten stellen nicht geflattert haben im Fahrtwind, nämlich weil „ES“ dort saß. Dann muss es sich weiterbewegt haben in den Nacken. Dort fühlte es sich dann an, als flatterte mein Kragen, dabei hatte ich doch keinen Kragen. Arrrrrgggghhh !!!!

Und dann viel mir auch wieder das Wort zu dem Gesicht ein:

Fledermaus !

Auf meiner Schulter hatte mit ausgebreiteten Flügeln eine Fledermaus
gesessen. Fledermaus. Ich habe gar keine Angst vor Fledermäusen. Das heißt aber nicht, dass ich mich nur wenige Zentimeter vom Gesicht entfernt, gerne von ihnen anbrüllen lassen. Ich war so geschockt, dass ich begann wie eine schwachsinnige zu lachen (meine Kollegen werden wissen was ich meine), vor Glück dass es keine Tarantel war und weil lachen immer noch besser ist als flennen.

Ich weiß nicht mehr wie ich auf den Parkplatz gekommen bin. Aber bevor das Auto stand, war ich schon draußen. Natürlich war meine Kollegin noch nicht da, die kurvte fröhlich in der Fußgängerzone
umher. Ich hibbelte auf dem Parkplatz herum wie aufgezogen.

Geschüttelt von Lachkrämpfen und Selbstgesprächen
(„Ach du Scheiße, das glaubt mir wieder keiner“), konnte ich nicht eine
Minute still stehen. Ich glaube das nennt man Stressabbau. Minuten später kam Ulla an. Sie stieg lachend aus dem Auto und sagte:
„…Hahaha, weißt Du wo ich war ?“.

Ich: „Schnauze, ich hab eine Fledermaus im Auto !“

Sie: “ ,,,,ich war in der Fußgängerzone, da darf man gar nicht rein…..“

Ich: “ ULLA…ich habe eine FLEDERMAUS im AUTO!“

Sie: „Du hast den Kuchen gewonnen….bist du schon lange da ?“

Ich: „Kannst Du mich hören….HALLO….ich habe eine Fledermaus im Auto“

Sie: „Ich komme aus Frankfurt, ich habe Angst vor Tieren…..“.

Wir gingen gemeinsam zum Wagen und ich erzählte in Kurzform meine
Geschichte. Staunendes Schweigen. Ob ich sicher sei, dass es eine Fledermaus gewesen wäre. Zwischenzeitlich war ich nicht mehr sicher, obwohl ich am Abend vorher nichts getrunken hatte. Das Ganze war dermaßen unwirklich. Vielleicht war es doch ein Schmetterling ?
Haben die nicht auch Gesichter ? Aber schreien die auch zurück ?

Schnell war klar, die Maus muss raus. Ich konnte unmöglich die 35 km lange Heimfahrt antreten mit einer Fledermaus die sich IRGENDWO in meinem Auto aufhielt. War sie überhaupt noch am Leben ?Ohnmächtig?Ich meine, meine Handkantenschläge sind nicht von schlechten Eltern.
Ich tat also, was getan werden musste (wie Clint Eastwood früher) und
öffnete die Beifahrertür. Nichts zu sehen im Fußraum. Wieso sind die Gummimatten eigentlich immer schwarz und nicht weiß?

Ich hatte jedoch einen heißen Verdacht ! Bestimmt saß das Biest unter dem Beifahrersitz. Jeder weiß, dass es Fledermäuse gerne dunkel mögen. Sollte ich drunter schauen ? Ich habe als Jugendliche ziemlich viele Horrorstreifen gesehen, obwohl ich sie nicht mag. Mir war klar, dass sobald ich unter den Sitz sehen würde die Maus  durchstartete, gradewegs in mein Gesicht. Das wollte ich nicht. Aber im Auto sollte sie auch nicht bleiben. Also habe ich mich mit äußerster Zurückhaltung in den Wagen gebeugt und nach vorne gelehnt. Auf Hilfe von Ulla,
war nicht zu hoffen. Sie stand einige Meter entfernt und brabbelte: „Angst, Frankfurt, ohne Tiere aufgewachsen, beißen die“……und solche Dinge.

Das hat meine nervliche Anspannung nicht gerade beseitigt. Aber es nütze ja nichts, Dreibeiner (also Männer) waren wie immer keine in der Nähe (wenn man sie mal braucht).
Folgendes Bild:
Ich kniee im Fußraum des Auto, geöffnete Beifahrertür, und luke unter den Sitze, als Ulla anfängt zu brüllen :
“ DAAAA IST SIIIIEEEEEE“.
Im Nullkommanix bin ich (obwohl sonst unsportlich) hochgeschossen und mit dem Kopf unter das Wagendach geknallt. Als ich wieder einigermaßen denken konnte, hüpften wir beide kreischend (schon zum zweiten Mal. Herrje) über den Parkplatz.

Ich: “ Wo wo wo wo wo wo wo……..

Sie: “ Da da da da da da da da ……….

Die arme Fledermaus hing an meiner Beifahrertür (Kopf nach unten
logischerweise) und sah völlig fertig aus mit der Welt. Ehrlich gesagt, wirkte sie auf einmal regelrecht klein. Aber sie hatte ja auch die Flügel zusammen gefaltet. Das zu meiner Ehrrettung.

Ich ging hin und versuchte sie mit meinem Haustürschlüssel zu überreden, das Futter meiner Türverkleidung loszulassen.
Aber sie wollte nicht. Ich versuchte es weiter, da fing die Arme wieder an zu schreien. Nee, es war mehr ein piepsen und schon ging mir das Herz über. Der arme Schatz.

Muss sich nachts verflogen haben und in meinem Auto gelandet sein. Dann tagsüber bei der Bullenhitze ist sie am Sitz hochgekrochen. Da der Kadett Kopfstützen mit großen Löchern drin hat, wohl geradewegs  hindurch und auf mein Haupthaar. Na ja, den Rest der Geschichte kennt ihr. Ich war dann so beschäftigt damit, mir auszumalen, dass es bestimmt noch eine Baby-Fledermaus ist, die ich nun von Familie und Schwarm getrennt habe, dass ich keine Probleme mehr hatte, den
kleinen Schreihals in die Hand zu nehmen und im angrenzenden Park fliegen zu lassen.

Abends erzählte ich dem Anmichrangetrauten die Geschichte und er hörte zu, ohne mit der Wimper zu zucken oder gar zu lachen. Als ich aber zu der Stelle mit dem Handkantenschlag kam, sagte er voll Empörung und mit tiefer Abscheu: “ Spinnst Du, die stehen
unter Naturschutz. Was soll die denn jetzt in Göttingen machen ?“

Darauf weiß ich bis heute keine Antwort. Ich weiß, ich bin ein
Scheusal….*schnief*. Die Geschichte hätte aber auch eine andere Wendung nehmen können. Ich hätte einen Unfall verursacht, die Fledermaus wäre durch die geöffneten Fenster hinaus geflogen und der eintreffenden Polizeistreife hätte ich lallend berichtet:
Ich hatte eine Fledermaus im AUTO…..

Ich glaube, ich säße heute nicht hier.

Deswegen schließt eure Fenster. Gehabt euch Wohl und bis die Tage,

Dagmar

Ich freu mich so

Da bist du ja wieder. Dann kannst du gleich mitfeiern. Ich habe vorhin zufällig eine alte Festplatte gefunden. Ich stöbere also so in Dateien, schaue mit großen Augen Fotos aus einer ganzen Hundeschulepoche und entdecke plötzlich eine Datei mit dem Namen „Dagmarswelt“. Mein Herz pocht ein bisschen schneller und ich scrolle durch hunderte Bilder meiner damaligen Tagebucheinträge. Leider ohne die dazugehörigen Texte, aber immerhin. Dann steht sie plötzlich da, die Datei „Lach- und Sachgeschichten“. Ich halte die Luft an, klicke drauf und HURRA, da sind sie ja. Ein Teil zumindest, meiner früheren Alltagskatastrophen. Und deswegen feiern wir heute hier. Ich freue mich wirklich unglaublich darüber.

Ich schenke mir heute eine der Geschichten. Ich mag sie nicht wieder verlieren und schreibe sie darum hier hinein. Vielleicht gefällt sie dir ja auch!
Ja, ich will, ist der Titel.

Es ist nun schon einige Jahre her, dass ich als Standesbeamtin gearbeitet habe. Eine Arbeit, die mir sehr viel Spaß gemacht hat. Nachdem die ersten aufregenden Trauungen vorbei waren (totale Unsicherheit auf meiner Seite, weil der Ablauf einer Trauung völlig frei gestaltet werden kann), hatte ich heraus gefunden, dass die meisten Paare viel aufgeregter waren als ich.
Außerdem habe ich mich immer mit dem Gedanken beruhigt, dass ich an diesem Tag nicht die Hauptperson bin, sonder die heiratswilligen Paare. Darum war es für mich auch nie ein Problem, wenn die Familienangehörigen des Brautpaares den Vorgang filmen wollten. Ich weiß, dass viele meiner damaligen Kollegen das gar nicht mochten. Das ist etwas, was sich vermutlich heute komplett geändert hat. Damals war es eine Ausnahme und die Paare haben sich sehr darüber gefreut eine bleibende Erinnerung zu erhalten.

Sobald ich mir also meiner Sache sicher war (so nach 4 oder 5 Trauungen) hat der Spaß richtig angefangen. Ich habe gemerkt, dass man den Leuten alles, aber auch alles abverlangen kann  !

„Aufstehen“, „Hinsetzen“, „Küssen“, „Aufhören“, „Aufstehen“, „Ringe tauschen“, „Hinsetzen“, „Nein, doch noch mal aufstehen“, „Ja sagen“ etc..

Ich glaube ihr bekommt eine leise Ahnung wie viel Spaß mir der Job machte und wie gut ich ihn ausgefüllt haben ! 😁
Übrigens durften die Leute zur Trauung immer ihre Hunde mitbringen. IMMER! Ach, was war das nett ! Ich habe in dem Hundeforum in dem ich damals aktiv war, dafür geworben und doch tatsächlich mal ein Paar aus Offenbach getraut. Die Beiden sind mit ihren Hunden angereist und es war eine sehr intime, sehr rührende Trauung. Hach. Aber ich schweife ab.

Kommen wir zur eigentlichen Geschichte.

Bevor eine Trauung stattfinden kann, gibt es ein sogenanntes Vorgespräch. Dort wird geklärt ob alle Unterlagen vollständig sind und was zu beachten ist. Ich hab dort immer gefragt ob die Paare während der Trauung die Ringen tauschen möchten (ist nämlich freiwillig) und ob sie mir etwas privates erzählen, damit ich das in meine Zeremonie mit einbauen kann. Der Termin für die Trauung wird besprochen und eben all‘ solche Dinge.

Bei einem solchen Vorgespräch saß ein total sympathisches Paar vor mir. Wir haben viel gelacht, die Atmosphäre war locker und ich freute mich schon richtig auf die Trauung.

Ein paar Wochen später war es soweit.
Nun hat eine Standesbeamtin einiges mehr zu tun, als Trauungen und
Vorgespräche zu tätigen (zumindest in kleinen Verwaltungen). Da müssen noch Urkunden ausgestellt werden, Namensänderungsanträge wollen bearbeitet werden, Sterbefälle werden beurkundet, Abschriften und Eintragungen in die Familienbücher werden vorgenommen und noch so allerhand. Erschwerend kam hinzu, dass ich zu dieser Zeit auch noch Personalsachbearbeiter und EDV Ansprechpartner war. Ich hatte anscheinend schon immer den Hang zu mehreren Jobs ;).

Es gab also allerhand zu tun und so war ich in der Regel morgens ganz normal gekleidet und habe mich für Trauungen auf der Damentoilette umgezogen. Am Tag an dem das sympathische Paar heiraten wollte, war wohl ziemlich viel zu tun. Ich habe mir kurz vorher noch etwas zu essen in den Mund gestopft, bin auf die Toilette, habe mich dort in Windeseile  umgezogen, den Raum geschmückt und die Unterlagen bereit gelegt.

Dann ging es los und die Hochzeitsgesellschaft traf ein. Der Trend bei der standesamtlichen Trauung war und ist seit einigen Jahren, möglichst viele Menschen mitzunehmen.
So haben sich zeitweise 50 Leute und mehr in das Trauzimmer gequetscht. Auch diese Hochzeitsgesellschaft war nicht klein und so dauerte es einige Zeit bis Ruhe einkehrte, alle einen Sitz- oder Stehplatz gefunden hatten und die Kameras liefen.

Das Brautpaar allerdings hat mich ein wenig verwundert. Beim hereinkommen, schienen sie mir noch locker und erfreut. Kaum das ich sie begrüßt hatte, verwandelten sich ihre Gesichter in ausdruckslose Masken. Beide waren sehr starr und im ganzen Bewegungsablauf so seltsam verhalten. Nun, dachte ich bei mir, sie werden schrecklich aufgeregt sein. Das kommt häufiger vor als man denkt und manches Paar macht auf dem Video eher den Eindruck als wenn es zur Schlachtbank geführt wird.

Ich musste dann das Zimmer noch einmal verlassen um die Trauzeugen in die Unterlagen einzutragen. Kaum war ich aus dem Zimmer, ging Gemurmel und Gelächter los. Na ja, dachte ich bei mir, vielleicht brauchen sie die 5 Minuten um sich noch ein wenig zu entspannen.

Als ich den Raum kurz darauf wieder betrat, trat schlagartig Stille ein und ich begann mich jetzt auch ein wenig unwohl zu fühlen. Mit gemischten Gefühlen begann ich meine Rede und fühlte mich von Minute zu Minute merkwürdiger. War dies das sympathische Paar von vor 2 Wochen ? Die beiden starrten mich an ohne jede Gefühlsregung. Ich meine damit nicht, sie hörten aufmerksam zu, sondern sie starrten mich an ohne mir in die Augen zu schauen.

Ich wende so einen kleinen Trick manchmal selber an, wenn ich
jemanden nicht mag oder mich vor jemanden fürchte. Dann schau ich einfach nicht in die Augen, sondern die Stelle zwischen den Augen an. Das ist für den anderen ziemlich komisch. Man wird angesehen und doch wieder nicht. Könnt ihr ja mal ausprobieren wenn ihr ein unangenehmes Gespräch führen müsst.

Die Hochzeitsgesellschaft war so leise wie keine zuvor. Kein husten, kein räuspern, kein niesen. Man hätte eine Stecknadel zu Boden fallen hören können. Und obwohl ich in der Regel nicht unter Verfolgungswahn leide, kam es mir so vor, als wenn alle nur mich ansehen und alle Kameras nur mich filmen.

Ich riss meine Standartwitze und sogar ein paar Neue ohne auch nur ein
schiefes Grinsen zu ernten. Absolut seltsame Atmosphäre herrschte da. Für mich war das eine wirklich bedrückende Situation. Ich grübelte ständig darüber nach, warum die gesamte Gesellschaft so versteinert ist. Das wiederum kostete mich unheimlich viel Konzentration. Wenn ich grübele und rede, kommt es bei mir sehr schnell zu Wortdrehern und anderen Alphabetkatastrophen.

Als ich endlich nach einer gefühlten Ewigkeit an der Passage ankam, an dem das Paar mitmachen, also bestätigen muss, dass sie einander heiraten wollen, war ich unendlich erleichtert.

1. Waren es jetzt nur noch wenige Minuten bis zum Ende und
2. konnte ich die Leute ein bisschen „aufstehen“, „hinsetzen“ spielen
lassen. Mein letzter Versuch, die beiden, nein, die ganze
Hochzeitsgesellschaft doch noch aufzulockern. Vergeblich.

Genauso seltsam wie die Trauung begann, endet sie auch. Die ganzen
Menschen verabschiedeten sich super schnell. Auf dem Weg nach draußen waren dann plötzlich alle wieder in der Lage zu lachen. Und wie. Ich fand es waren einige hysterische Gäste dabei und auch das Stimmengewirr auf dem  Flur war enorm.

Komisch, dachte ich, vielleicht habe ich ihnen einen Schrecken eingejagt oder sie dachten, man darf bei einer standesamtlichen Trauung keine Lebenszeichen von sich geben. Whatever. Ich konnte nichts mehr ändern und sinnierte über meine beschissene Menschenkenntnis. Die waren doch vorher soooo nett :/

Ich selber war ziemlich geschafft. Nach einer halben Stunde, in der
man irgendwie komplett und total im Interesse anderer Leute steht, ohne zu sehen was sie von der Sache halten, kann schon ganz schön stressen. Ich schleppte mich mit letzter Kraft auf die Toilette um mich wieder in die Alltagsklamotten zu pellen und stutzte beim Blick in den Spiegel.

Was war das denn ?

Wie sah ich den aus ?

Auf meiner Nase thronte ein Stück Schokolade mit einem Klecks Karamell. Ohne das Karamell hätte man denken können, ich hätte einen überdimensionalen (echt krankhaften) Leberfleck auf der Nase. Wie gesagt, ohne das Karamell, das leider total aussah wie Karamell. Mit Schokolade eben. Schlagartig war mir klar, dass die Hochzeitsgesellschaft nicht verkrampft, sondern total bemüht war, weil sie sich sonst wahrscheinlich völlig unkontrolliert vor lachen auf dem Boden gewälzt hätten.

Nicht mal mein Gefühl ausschließlich gefilmt zu werden, hat mich getrogen.
DIE HABEN MICH GEFILMT mit dem Stück „Mars“ auf der Nase………

Irgendwie nicht verwunderlich, dass die rechte feierliche Stimmung ausblieb. Ich wette die reden heute noch von der Standesbeamtin mit der Schokolade auf der Nase (und es war nicht wenig und saß gemeinerweise mehr so unten ((wie ein Eiszapfen aus Karamell)), wo man es nicht mal aus den Augenwinkeln sieht). Oh Gott, hoffentlich dachten sie nicht es ist ein Mörderpopel 😱.

Ich weiß noch, dass ich an diesem Punkt auf der Damentoilette einen
kompletten Lachflash bekommen habe. Ich hab mich gar nicht wieder
eingekriegt, der Tag war total gelaufen. Das tragische Ende der Geschichte ist, dass ich den Namen der Brautleute im
Lauf der Zeit vergessen haben und den Arbeitgeber wechselte. Ich würde
meinen vorletzten wackeligen Backenzahn für eine Kopie des Videos
geben……..

Die Ehe hält bestimm ewig! In diesem Sinne, gehabt euch wohl.

Dagmar