Da bist du ja wieder. Dann kannst du gleich mitfeiern. Ich habe vorhin zufällig eine alte Festplatte gefunden. Ich stöbere also so in Dateien, schaue mit großen Augen Fotos aus einer ganzen Hundeschulepoche und entdecke plötzlich eine Datei mit dem Namen „Dagmarswelt“. Mein Herz pocht ein bisschen schneller und ich scrolle durch hunderte Bilder meiner damaligen Tagebucheinträge. Leider ohne die dazugehörigen Texte, aber immerhin. Dann steht sie plötzlich da, die Datei „Lach- und Sachgeschichten“. Ich halte die Luft an, klicke drauf und HURRA, da sind sie ja. Ein Teil zumindest, meiner früheren Alltagskatastrophen. Und deswegen feiern wir heute hier. Ich freue mich wirklich unglaublich darüber.
Ich schenke mir heute eine der Geschichten. Ich mag sie nicht wieder verlieren und schreibe sie darum hier hinein. Vielleicht gefällt sie dir ja auch!
Ja, ich will, ist der Titel.
Es ist nun schon einige Jahre her, dass ich als Standesbeamtin gearbeitet habe. Eine Arbeit, die mir sehr viel Spaß gemacht hat. Nachdem die ersten aufregenden Trauungen vorbei waren (totale Unsicherheit auf meiner Seite, weil der Ablauf einer Trauung völlig frei gestaltet werden kann), hatte ich heraus gefunden, dass die meisten Paare viel aufgeregter waren als ich.
Außerdem habe ich mich immer mit dem Gedanken beruhigt, dass ich an diesem Tag nicht die Hauptperson bin, sonder die heiratswilligen Paare. Darum war es für mich auch nie ein Problem, wenn die Familienangehörigen des Brautpaares den Vorgang filmen wollten. Ich weiß, dass viele meiner damaligen Kollegen das gar nicht mochten. Das ist etwas, was sich vermutlich heute komplett geändert hat. Damals war es eine Ausnahme und die Paare haben sich sehr darüber gefreut eine bleibende Erinnerung zu erhalten.
Sobald ich mir also meiner Sache sicher war (so nach 4 oder 5 Trauungen) hat der Spaß richtig angefangen. Ich habe gemerkt, dass man den Leuten alles, aber auch alles abverlangen kann !
„Aufstehen“, „Hinsetzen“, „Küssen“, „Aufhören“, „Aufstehen“, „Ringe tauschen“, „Hinsetzen“, „Nein, doch noch mal aufstehen“, „Ja sagen“ etc..
Ich glaube ihr bekommt eine leise Ahnung wie viel Spaß mir der Job machte und wie gut ich ihn ausgefüllt haben ! 😁
Übrigens durften die Leute zur Trauung immer ihre Hunde mitbringen. IMMER! Ach, was war das nett ! Ich habe in dem Hundeforum in dem ich damals aktiv war, dafür geworben und doch tatsächlich mal ein Paar aus Offenbach getraut. Die Beiden sind mit ihren Hunden angereist und es war eine sehr intime, sehr rührende Trauung. Hach. Aber ich schweife ab.
Kommen wir zur eigentlichen Geschichte.
Bevor eine Trauung stattfinden kann, gibt es ein sogenanntes Vorgespräch. Dort wird geklärt ob alle Unterlagen vollständig sind und was zu beachten ist. Ich hab dort immer gefragt ob die Paare während der Trauung die Ringen tauschen möchten (ist nämlich freiwillig) und ob sie mir etwas privates erzählen, damit ich das in meine Zeremonie mit einbauen kann. Der Termin für die Trauung wird besprochen und eben all‘ solche Dinge.
Bei einem solchen Vorgespräch saß ein total sympathisches Paar vor mir. Wir haben viel gelacht, die Atmosphäre war locker und ich freute mich schon richtig auf die Trauung.
Ein paar Wochen später war es soweit.
Nun hat eine Standesbeamtin einiges mehr zu tun, als Trauungen und
Vorgespräche zu tätigen (zumindest in kleinen Verwaltungen). Da müssen noch Urkunden ausgestellt werden, Namensänderungsanträge wollen bearbeitet werden, Sterbefälle werden beurkundet, Abschriften und Eintragungen in die Familienbücher werden vorgenommen und noch so allerhand. Erschwerend kam hinzu, dass ich zu dieser Zeit auch noch Personalsachbearbeiter und EDV Ansprechpartner war. Ich hatte anscheinend schon immer den Hang zu mehreren Jobs ;).
Es gab also allerhand zu tun und so war ich in der Regel morgens ganz normal gekleidet und habe mich für Trauungen auf der Damentoilette umgezogen. Am Tag an dem das sympathische Paar heiraten wollte, war wohl ziemlich viel zu tun. Ich habe mir kurz vorher noch etwas zu essen in den Mund gestopft, bin auf die Toilette, habe mich dort in Windeseile umgezogen, den Raum geschmückt und die Unterlagen bereit gelegt.
Dann ging es los und die Hochzeitsgesellschaft traf ein. Der Trend bei der standesamtlichen Trauung war und ist seit einigen Jahren, möglichst viele Menschen mitzunehmen.
So haben sich zeitweise 50 Leute und mehr in das Trauzimmer gequetscht. Auch diese Hochzeitsgesellschaft war nicht klein und so dauerte es einige Zeit bis Ruhe einkehrte, alle einen Sitz- oder Stehplatz gefunden hatten und die Kameras liefen.
Das Brautpaar allerdings hat mich ein wenig verwundert. Beim hereinkommen, schienen sie mir noch locker und erfreut. Kaum das ich sie begrüßt hatte, verwandelten sich ihre Gesichter in ausdruckslose Masken. Beide waren sehr starr und im ganzen Bewegungsablauf so seltsam verhalten. Nun, dachte ich bei mir, sie werden schrecklich aufgeregt sein. Das kommt häufiger vor als man denkt und manches Paar macht auf dem Video eher den Eindruck als wenn es zur Schlachtbank geführt wird.
Ich musste dann das Zimmer noch einmal verlassen um die Trauzeugen in die Unterlagen einzutragen. Kaum war ich aus dem Zimmer, ging Gemurmel und Gelächter los. Na ja, dachte ich bei mir, vielleicht brauchen sie die 5 Minuten um sich noch ein wenig zu entspannen.
Als ich den Raum kurz darauf wieder betrat, trat schlagartig Stille ein und ich begann mich jetzt auch ein wenig unwohl zu fühlen. Mit gemischten Gefühlen begann ich meine Rede und fühlte mich von Minute zu Minute merkwürdiger. War dies das sympathische Paar von vor 2 Wochen ? Die beiden starrten mich an ohne jede Gefühlsregung. Ich meine damit nicht, sie hörten aufmerksam zu, sondern sie starrten mich an ohne mir in die Augen zu schauen.
Ich wende so einen kleinen Trick manchmal selber an, wenn ich
jemanden nicht mag oder mich vor jemanden fürchte. Dann schau ich einfach nicht in die Augen, sondern die Stelle zwischen den Augen an. Das ist für den anderen ziemlich komisch. Man wird angesehen und doch wieder nicht. Könnt ihr ja mal ausprobieren wenn ihr ein unangenehmes Gespräch führen müsst.
Die Hochzeitsgesellschaft war so leise wie keine zuvor. Kein husten, kein räuspern, kein niesen. Man hätte eine Stecknadel zu Boden fallen hören können. Und obwohl ich in der Regel nicht unter Verfolgungswahn leide, kam es mir so vor, als wenn alle nur mich ansehen und alle Kameras nur mich filmen.
Ich riss meine Standartwitze und sogar ein paar Neue ohne auch nur ein
schiefes Grinsen zu ernten. Absolut seltsame Atmosphäre herrschte da. Für mich war das eine wirklich bedrückende Situation. Ich grübelte ständig darüber nach, warum die gesamte Gesellschaft so versteinert ist. Das wiederum kostete mich unheimlich viel Konzentration. Wenn ich grübele und rede, kommt es bei mir sehr schnell zu Wortdrehern und anderen Alphabetkatastrophen.
Als ich endlich nach einer gefühlten Ewigkeit an der Passage ankam, an dem das Paar mitmachen, also bestätigen muss, dass sie einander heiraten wollen, war ich unendlich erleichtert.
1. Waren es jetzt nur noch wenige Minuten bis zum Ende und
2. konnte ich die Leute ein bisschen „aufstehen“, „hinsetzen“ spielen
lassen. Mein letzter Versuch, die beiden, nein, die ganze
Hochzeitsgesellschaft doch noch aufzulockern. Vergeblich.
Genauso seltsam wie die Trauung begann, endet sie auch. Die ganzen
Menschen verabschiedeten sich super schnell. Auf dem Weg nach draußen waren dann plötzlich alle wieder in der Lage zu lachen. Und wie. Ich fand es waren einige hysterische Gäste dabei und auch das Stimmengewirr auf dem Flur war enorm.
Komisch, dachte ich, vielleicht habe ich ihnen einen Schrecken eingejagt oder sie dachten, man darf bei einer standesamtlichen Trauung keine Lebenszeichen von sich geben. Whatever. Ich konnte nichts mehr ändern und sinnierte über meine beschissene Menschenkenntnis. Die waren doch vorher soooo nett
Ich selber war ziemlich geschafft. Nach einer halben Stunde, in der
man irgendwie komplett und total im Interesse anderer Leute steht, ohne zu sehen was sie von der Sache halten, kann schon ganz schön stressen. Ich schleppte mich mit letzter Kraft auf die Toilette um mich wieder in die Alltagsklamotten zu pellen und stutzte beim Blick in den Spiegel.
Was war das denn ?
Wie sah ich den aus ?
Auf meiner Nase thronte ein Stück Schokolade mit einem Klecks Karamell. Ohne das Karamell hätte man denken können, ich hätte einen überdimensionalen (echt krankhaften) Leberfleck auf der Nase. Wie gesagt, ohne das Karamell, das leider total aussah wie Karamell. Mit Schokolade eben. Schlagartig war mir klar, dass die Hochzeitsgesellschaft nicht verkrampft, sondern total bemüht war, weil sie sich sonst wahrscheinlich völlig unkontrolliert vor lachen auf dem Boden gewälzt hätten.
Nicht mal mein Gefühl ausschließlich gefilmt zu werden, hat mich getrogen.
DIE HABEN MICH GEFILMT mit dem Stück „Mars“ auf der Nase………
Irgendwie nicht verwunderlich, dass die rechte feierliche Stimmung ausblieb. Ich wette die reden heute noch von der Standesbeamtin mit der Schokolade auf der Nase (und es war nicht wenig und saß gemeinerweise mehr so unten ((wie ein Eiszapfen aus Karamell)), wo man es nicht mal aus den Augenwinkeln sieht). Oh Gott, hoffentlich dachten sie nicht es ist ein Mörderpopel 😱.
Ich weiß noch, dass ich an diesem Punkt auf der Damentoilette einen
kompletten Lachflash bekommen habe. Ich hab mich gar nicht wieder
eingekriegt, der Tag war total gelaufen. Das tragische Ende der Geschichte ist, dass ich den Namen der Brautleute im
Lauf der Zeit vergessen haben und den Arbeitgeber wechselte. Ich würde
meinen vorletzten wackeligen Backenzahn für eine Kopie des Videos
geben……..
Die Ehe hält bestimm ewig! In diesem Sinne, gehabt euch wohl.
Dagmar